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Wenn es um eine Verschraubung auf Produktionsniveau geht, gibt es einiges zu beachten. Lösbare Verbindungen sind als Idee bereits relativ alt, doch die Schraubtechnik in Form eines selbstständigen Zweigs der Montagetechnik mit eigenem Knowhow, entwickelte sich erst in den letzten 30 Jahren.
Auf dem europäischen Markt findet man heute genug Schraubtechniklieferanten. Nur wenige davon sind Schraubtechnikhersteller. Einer von ihnen hat seinen Sitz in Castrop-Rauxel (Ruhrgebiet) und stellt seit 20 Jahren Schraubtechnik für industrielle Anwendungen her. Wir besuchen das Unternehmen und sprechen mit dem Geschäftsführer Andreas Schmidt:
Kurze Gründungsgeschichte
Herr Schmidt war früher als Entwicklungsingenieur bei einem großen Schraubtechnikhersteller in Süddeutschland tätig. Projektspezifische Applikationen sowie sicherheitsrelevante Anwendungen und europaweite Kundenbetreuung – das war alles Alltag für einen technischen Entwickler.
Man wächst bekanntlich mit seinen Aufgaben: Bei einem spannenden Projekt arbeitet Herr Schmidt an einer Sonderentwicklung für die automatisierte Blindvernietung von Airbag-Modulen und bringt ein paar sehr interessante Ideen als neue Lösungsansätze ein. Der Entwickler baut eine Maschine zur vollautomatischen, Kraft-Weg überwachten Verarbeitung von Blindnieten an Airbag Gasgeneratoren. Das Projekt wird erfolgreich abgeschlossen und alle namhaften Hersteller von Airbag-Modulen in Deutschland zu jener Zeit rüsten ihre Produktionsanlagen mit dieser neuen Technik aus.
Herr Schmidt sieht aus den gewonnenen Erkenntnissen noch viel mehr Potential – auch für Lösungen in der Schraubtechnik, doch für das Management ist der Fall mit der Auslieferung abgeschlossen. Der junge Entwickler muss die Situation hinnehmen oder einen eigenen Weg gehen. Was er daraus macht – Sie ahnen es bereits…
Es kommt wie es kommen muss: Mit einem Kompagnon, einem ehemaligen Außendienstmitarbeiter aus der selben Firma, überlegt man zusammen wie man die ersten Schritte in die Selbständigkeit planen kann. Dabei wird entschieden die neue Firma nicht in Süddeutschland sondern im Ruhrgebiet zu gründen. Somit kann das junge Unternehmen den potentiellen Kunden aus der Region einen schnellen Support anbieten und hat dadurch auch noch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber und all den anderen namhaften Anbietern von vollautomatisierter Schraubtechnik, welche alle südlich der Mainlinie angesiedelt sind. Denn die Vorteile der neuen Technik selbst müssen erst noch bewiesen werden.
Die eigene Schraubtechnik
Die Kundenstruktur von WSM ist bunt. Überall, wo es um große Stückzahlen geht und eine sehr schnelle und präzise Verschraubung nötig ist, kommt die Schraubtechnik zum Einsatz. Sowohl in der Automobilzuliefer- und der Elektroindustrie, bei der Uhrenherstellung, in der Medizintechnik – ja einfach überall wo eine Schraube schnell und sicher auf sehr präzise Drehmomente und / oder Schraubtiefen eingeschraubt werden muss sind die Produkte von WSM-Automation die erste Wahl. Der Drehmomentbereich der Schraubsysteme von WSM-Automation erstreckt sich von 0,5 Nm bis zu maximal 20 Nm. Das Gros der Anwendungen liegt aber im Bereich von 1,0 Nm bis etwa 6,0 Nm, da in diesen Drehmomentbereichen die Taktzeit der Anlagen eine besondere Rolle spielt.
Eine besondere Bauform
Die Bauform der WSM – Schraubeinheiten unterscheidet sich stark von den meisten auf dem Markt existierenden Varianten, erzählt der Geschäftsführer nicht ohne Stolz.
Die meisten Hersteller bauen ihre Schrauber in Form eines zylindrischen Rohres, in welchem ein eigen gebauter Kolben eine axiale Bewegung vollführt und gleichzeitig für die Rotationsbewegung des Schraubwerkzeugs sorgt. Üblicherweise führt durch diesen Kolben eine Teleskopstange welche meist als Sechskant ausgeführt ist.
Durch diese Verbindung wird das Drehmoment übertragen. Das hat zu Folge, dass sich entweder ein druckluftdichtes Lager im Kolben oder aber der gesamte Kolben bei der axialen Bewegung in dem zylindrischen Rohr drehen muss. Die Rotationsbewegung muss gegenüber dem axialen Vorschub abgedichtet sein, sonst wäre ja der axiale Zylinder undicht. Daher werden alle erzeugten Drehmomentwerte, um das Drehmoment welches zur Überwindung der rotatorischen Reibkräfte im Zylinder benötigt wird, verfälscht. Bei kleinen Zieldrehmomenten kann dieser Wert schnell 30% ja sogar bis zu 50% des eingeleiteten Drehmomentes ausmachen.
Die Messung des Drehmoments bei automatisierten Schraubsystemen findet aus mehreren technischen Gründen stets zwischen dem Antrieb und der Schraubeinheit statt. Aus diesem Grund werden die Reibmomente fälschlicherweise stets mitgemessen. Das bedeutet, dass das auf die Schraubverbindung real wirkende Drehmoment um den Wert des Reibmomentes vermindert wird.
Versuche diese Fehler mittels einem Offsetwert zu kompensieren haben immer gezeigt, dass das resultierende Drehmoment dieser Reibkräfte in Abhängigkeit von der aktuellen Drehzahl sowie der Position des Kolbens im Zylinder und natürlich dem Alter der Dichtelemente stark variiert. Da diese Art Zylinder mit geölter Druckluft betrieben werden, spielt natürlich auch der Ölgehalt der Druckluft eine nicht zu verachtende Rolle bei den Reibwerten. Im schlimmsten Fall führen alle diese Faktoren zu einer drastischen Erhöhung der Eigenreibung.
Das daraus resultierende Drehmoment kann bei kleinen Zieldrehmomenten das letztendlich wirkende Anzugsdrehmoment so stark verfälschen, dass es durchaus zu nicht dauerhaft haltenden Schraubverbindungen führen kann.
Alternativ zu dieser Bauart wird eine Schraubeinheit mit Motor verwendet, welche komplett auf einem Zylinder montiert ist. Der Motor erzeugt die rotatorische Bewegung und der Zylinder sorgt für den axialen Vorschub. Dabei wird aber bei jedem Schraubtakt die sehr große Masse des Motors zusammen mit der gesamten Masse der Schraubeinheit durch den Zylinder bewegt. Das funktioniert bei großen Schrauben und gemächlichen Taktzeiten auch relativ gut.
Je kleiner jedoch die Schrauben werden und je kürzer die Taktzeit ist, desto größer wird der Impuls auf den Gewindeanfang der Schraube. Hier gilt die alte Weisheit der Massenträgheit. Für eine kurze Taktzeit muss der Zylinder die Schraubeinheit samt Motor stark und schnell beschleunigen.
Die kinetische Energie im dem Moment wenn die Schraubeinheit die Schraube auf das Bauteil aufsetzt ergibt sich aus ½ mal der bewegten Masse mal der Geschwindigkeit der Masse im Quadrat (Wkin = 0,5 × m × v²). Das heißt, je größer die bewegte Masse ist und je schneller diese Masse bewegt wird, desto härter ist der Schlag auf die Schraubverbindung. Somit ist auch diese Bauart für kleine Schrauben mit kurzen Taktzeiten keine probate Lösung.
In WSM – Schraubeinheiten hingegen ist der Antrieb fest aufgebaut und die Motormasse spielt beim Einsetzen der Schraube in das Bauteil keine Rolle. In dieser Schraubeinheit ist ein handelsüblicher Zylinder verbaut, der den axialen Vorschub der Schraube in Richtung zum Schraubort realisiert.
Das Drehmoment wird mittels eines extern liegenden Teleskops übertragen welches keine weiteren Reibmomente als die Reibung in einem speziell auf Leichtlauf ausgelegtem Kugellager erzeugt. Die axial bewegten Massen werden aufgrund der Verwendeten Materialien (Kohlefaser, Aluminium, Titan u.s.w.) extrem klein gehalten.
Daher sind mit WSM – Schraubeinheiten auch bei sehr kleinen Zieldrehmomenten reale Taktleistungen bis zu 60 Takte je Minute möglich. Auf einer speziell für diesen Anwendungsfall optimierten Messemaschine werden sogar 125 Takte erreicht. Es werden also 125 Schrauben pro Minute lagerichtig vorsortiert und vereinzelt, der Schraubeinheit über einen Schlauch per Druckluft zugeführt und exakt auf eine vorgegebene Schraubtiefe eingedreht. Dabei wird auch noch bei jeder einzelnen Schraube während des Einschraubvorgangs die Leichtgängigkeit der Schraube im Bauteilgewinde überprüft.
Diese Bauweise macht eine WSM – Schraubeinheit sehr leichtgängig, schnell und effizient.
Schnell verschrauben
Eine hohe Prozessgeschwindigkeit bei gleich bleibender Qualität ist eine Aufgabe für Profis. Ein sehr genaues Abschalten bei einer hohen Schraubdrehzahl zu erreichen, ist dabei alles andere als einfach. Die Herausforderung ist, die Massenträgheit bei einer hohen Drehzahlen in den Griff zu bekommen. Das integrierte Längenmesssystem mit einer Auflösung im 1/100 mm Bereich hilft natürlich dabei, die hohen Geschwindigkeiten (bei langen Schrauben teilweise bis zu 6000 Umdrehungen pro Minute) erst unmittelbar vor dem Abschalten zu reduzieren. Diese Präzision wird erst durch die sehr hohe Rechenleistung sowie die extrem schnelle Abtastraten der WSM – Steuerungen ermöglicht.
Genaues Erkennen der Tiefenlage
In den WSM – Schraubeinheiten steckt insgesamt viel Knowhow. So wird dank der Sensorik für die Schraubtiefenmessung die genaue Position des Schraubwerkzeugs (des Bits) zu jedem beliebigen Zeitpunkt ermittelt und somit ist auch die genaue Einschraubtiefe der Schraube im Bauteil bekannt.
Der Tiefensensor detektiert die aktuelle Schraubtiefe berührungslos mittels eines speziell kodierten Magnetbandes, welches eine rechnerische Wegauflösung im 1/100 mm Bereich ermöglicht. Durch diese sehr genaue Auflösung und einiger innovativer Funktionen in der Software ist es zum Beispiel möglich Schrauben mit hoher Drehzahl (1500 bis 2000 Umdrehungen pro Minute) in ein Bauteil einzuschrauben und die vorgegebene Solltiefe mit Abweichungen im Bereich von einigen 1/100 mm genau zu erreichen. Die Abschaltgenauigkeit ist auf jeden Fall besser als 1/10 mm Abweichung.
Der schnelle Werkzeugwechsel
Das Auswechseln des Bits kann sehr aufwändig und zeitintensiv sein. Alle WSM – Schraubeinheiten benötigen dafür keinen Platz zwischen Mundstück und Bauteil. Bei den meisten auf dem Markt befindlichen Automatikschraubern, wird das Schraubwerkzeug (Bit) durch die Demontage des Mundstücks des Schraubsystems nach unten entnommen. Schraubeinheiten von WSM-Automation verfügen über eine spezielle Schubladenvorrichtung zum Wechseln des Schraubwerkzeugs.
Diese raffinierte Konstruktion ermöglicht es dem Anwender das Schraubwerkzeug (Bit) ohne Werkzeug und ohne Demontage des Schraubermundstücks zu wechseln. Dabei wird auch kein Raum in Richtung der Schraubachse benötigt (im Regelfall bei einem senkrecht arbeitenden Schraubsystem also kein Raum nach unten). Über die Schubladenplatte kann das Schraubwerkzeug wie aus einer Schublade nach vorne aus dem Schrauber entnommen und ausgewechselt werden.
Durch die präzisen Führungen der Schubladenplatte kann nach dem Einsetzen des neuen Schraubwerkzeugs sofort weitergearbeitet werden. Die korrekte Ausrichtung des Mundstücks des Schraubers zum Bauteil sowie die gesamte Einbausituation des Zuführkopfes bleiben, anders als bei vielen Wettbewerbern, auch nach einem Werkzeugwechsel exakt erhalten.
Die einzige Varianz die sich durch den Werkzeugwechsel ergeben könnte, wäre eine Veränderung in der Länge des Schraubwerkzeuges selbst. Diese Längenänderung ist normaler Weise kleiner als 1/10 mm. Aber auch für dieses Problem hat WSM eine entsprechende Lösung parat. Ab Anfang nächsten Jahres steht für die Standardschraubeinheiten eine Vorrichtung zur Kompensation der Bitlänge – also der Länge des Schraubwerkzeugs – zur Verfügung.
Mit dieser nachrüstbaren Vorrichtung wird das jeweils aktuelle Schraubwerkzeug exakt vermessen und der Längenunterschied zu den zuvor verwendeten Werkzeugen über alle Schraubprogramme hinweg kompensiert.
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