Technische Keramik auf der Hannover Messe 2019
Es ist ruhiger hier, in der Halle 3. Fast keine lauten Maschinen oder flinken Roboterglieder. Ein Bereich der Halle ist der technischen Keramik gewidmet – nichts für Showliebhaber. Auf den Tischen liegen Ausstellungsstücke. Die meisten besitzen eine recht einfache Geometrie.
Doch hier geht es um das Substanzielle im breitesten Sinne des Wortes. In durch rasante Software-Entwicklung dominierten Zeiten, steckt im Hardware-Part immer noch genug Potenzial. Und zwar in der Weiterentwicklung von technischen Werkstoffen.
Die Industrie- oder Ingenieurkeramik ist ein gutes Beispiel dafür. Diese Art von Werkstoffen ist ziemlich vielfältig und hat ein sehr breites Anwendungsspektrum. Eine breite Anwendung finden keramische Werkstoffe in der Dentaltechnik und der Lebensmittelindustrie. Um mehr Übersicht über moderne Ingenieurmechanik zu gewinnen, sprachen wir mit einigen Spezialisten.
Hochbelastbare Keramik – der Werkstoff der Zukunft
Die FCT Ingenieurkeramik GmbH schreibt der Keramik als Werkstoff viel Potenzial zu, obwohl sie sich bereits jetzt in einem relativ hohen Entwicklungsstadium befindet.
Die Ingenieure der FCT beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit mechanisch hoch belastbaren Materialien.
„Die letzten 2-3 Jahre ist der Bedarf an Ingenieurkeramik enorm gewachsen. Wenn wir uns früher als Missionare gefühlt haben, ist der Prozess jetzt voll im Gange“ – berichtet der Geschäftsführer der FCT Andreas Goller. „Die mechanischen Eigenschaften der technischen Keramik, wie z.B. Bruchzähigkeit, werden besser. Das begünstigt die Nachfragesituation. Die Firmen stellen sich öfter die Frage, ob das ein oder andere technische Problem durch die alternative Anwendung von keramischen Stoffen gelöst werden kann. Dementsprechend bekommt die Branche zunehmend mehr Anfragen für die Entwicklung von solchen Lösungen. Das treibt eine weitere Entwicklung dieser Werkstoffe voran. Es gibt ein sehr breites Anforderungsspektrum, was die keramischen Werkstoffe erfüllen sollen. Man arbeitet an Eigenschaften der Keramik wie Wärmeleitfähigkeit, elektrische Leitfähigkeit, Bruchzähigkeit usw.“
Doch natürlich gibt es auch Bereiche, wo die technische Keramik einfach nicht der richtige Stoff ist. Uns interessiert, wo ein Fachmann sich diesen Werkstoff noch nicht vorstellen kann, um den Anwendungsbereich besser abgrenzen zu können.
„Da, wo die Schlagbelastung, Duktilität oder Elastizität wichtig sind, soll auf andere Werkstoffe zugegriffen werden“ – antwortet Andreas Goller. „Außerdem sollte man auch die Kosten im Auge behalten, da der Herstellungsprozess der Keramik oft sehr aufwendig und kostenintensiv ist. Dazu gehören:
Aufbereitung der chemisch reinen Rohstoffe, Komposition in ein bearbeitbares Granulat, das Verpressen, evt. nachfolgende spanende Bearbeitung sowie die Wärmebehandlung (meistens zweistufig).Viele Prozesse erfordern außerdem die Endverarbeitungsstufe, wie zum Beispiel das Gleitschleifen. Das sind wirklich keine Low-kost Lösungen.
Und trotzdem lohnt es sich in vielen Fällen, auf die Keramik zurückzugreifen.
Denn Ingenieurkeramik liefert viele Antworten auf unterschiedlichste technische Fragen. Ein Spektrum von 10-12 Grundstoffen, deren Werkstoffeigenschaften sich beeinflussen lassen, ergibt viele Möglichkeiten“.
Isolatoren- und Leiterkeramik
Ein weiteres Interview haben wir am Stand der Bach Resistor Ceramics GmbH geführt. Der Konstruktionsleiter Herr Wildner erzählt vor unserer Kamera über die Vielfalt der Keramikprodukte, die Anwendung der Isolatoren- und Leiterkeramik in der Raumfahrt-Industrie und beantwortet unsere Fragen.
Sondermaschinen für die Herstellung der technischen Keramik
Die Wertschöpfungskette der technischen Keramik ist lang und eines der wichtigsten Glieder dieser Kette ist selbstverständlich der Sondermaschinenbau für die Verformung, Verdichtung und die technische Untersuchung der Keramikmaterialien. Laborpressen, Pressen für koaxiale und isostatische Verfahren mit Nass- und Trockenmatrizen, unterschiedliche Hydraulik-Aggregate – diese Welt ist ziemlich vielfältig.
Pia Kahlefeld, die Inhaberin der Loomis Products Kahlefeld GmbH, sieht in der heutigen Entwicklung der Branche keinen Durchbruch, dafür aber eine stabile Entwicklung der erprobten Technik.
Die Firma Loomis Products wurde 1917 in den USA gegründet. 1970 hat ein deutscher Unternehmer, (der Vater von Frau Kahlefeld) die Firma gekauft und führt sie dort erfolgreich weiter. In Deutschland übernahm seine Tochter im Jahr 2001 die Regie.
Bereits 1970 hat die Firma die weltweit erste Kolbenstrangpresse, zur Herstellung von keramischen Wabenkörpern für die Automobilindustrie, entwickelt und an ein weltweit bekanntes Unternehmen in New York ausgeliefert. Diese Produkte werden noch heute in Katalysatorsystemen für Kraftfahrzeuge eingebaut.
„Es kann sicherlich niemand abstreiten, dass die Technik sich permanent weiterentwickelt, denn die Anzahl von Anwendungsgebieten für die technische Keramik wächst. Beim Sondermaschinenbau betrifft diese Entwicklung besonders Gebiete wie Prototype Engineering, Maschinen für zerstörungsfreie Prüfung, 3D-Drucker für keramische Werkstoffe usw. Doch ich würde von keinen bahnbrechenden Innovationen im Bereich von Maschinen reden, eher von einer konsequenten Weiterentwicklung.“
Das war nicht unser letztes Gespräch zum Thema Ingenieurkeramik auf der Messe. Ein weiteres Interview würde jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen. Deswegen haben wir uns entschieden, das Thema in aufeinander folgenden Publikationen weiter zu entwickeln.
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