Motivation
Die Telemedizin wird in Zukunft eine große Rolle für die weltweite Gesundheitsversorgung spielen. Grund hierfür sind die steigenden Kosten für die medizinische Versorgung und der demographische Wandel weltweit und insbesondere in Deutschland. Quellen des statistischen Bundesamts belegen, dass sich die Anzahl der Verrentungen in den nächsten 20 Jahren verdoppeln wird. Im Jahr 2010 versorgten 100 Erwerbtätige etwa 35 Menschen deren Lebensalter über 65 Jahre war. Im Jahre 2050 wird diese Zahl auf 65 Menschen anwachsen. Folgt man den Ausführungen der OECD, wird in 2020 eine Lebenserwartung von 82 Jahren prognostiziert. Wenn nun die Kosten, wie von der OECD vorhergesagt, steigen würde es bedeuten, dass sich in 10 Jahren die Gesundheitskosten um ca. 70% pro Person erhöhen. Hierbei ist nicht der demographische Wandel einkalkuliert, so dass man sicherlich mit einer Verdoppelung der Kosten in 10 Jahren rechnen kann. Fazit ist, dass ohne Veränderung, dieses System nicht mehr bezahlbar sein wird. Was kann also getan werden?
Ein Lösungsansatz ist der gezielte Einsatz modernster Technologien in der Telemedizin, um eine kontinuierliche Kontrolle des Gesundheitsstatus zu ermöglichen. Hierdurch kann erreicht werden, dass eine Hospitalisierung durch einen verbesserten Vitalstatus vermieden oder zumindest herausgezögert wird. Eine frühzeitige Intervention (Therapie Steuerung) ermöglicht, Patienten durch Prävention langfristig bis ins hohe Alter gesund zu halten. Die Verwendung kosteneffizienter und hochwertiger Technologie, welche dem Arzt und dem Patienten ermöglicht, kontinuierlich und ohne zeitlichen sowie finanziellem Aufwand zu kommunizieren und Ferndiagnosen sowie eine Therapie zulässt, wird eine Lösung der qualitativ hochwertigen Versorgung vieler Menschen in Zukunft ermöglichen.
Kombination aus Roboter und Smart Home
Für den Entwurf und die Umsetzung einer telemedizinischen Plattform ist es insbesondere wichtig, dass der Patient sowie der Arzt durch die Verwendung von elektronischen Geräten und Technologien, nicht eingeschränkt sind oder sich nicht wohl fühlen. Aus diesem Grund wird im Rahmen des Europäischen Forschungsprojektes RADIO (Robots in Assisted Living Environment) zusammen mit 9 internationalen Partnern aus Forschung und Industrie ein neuer Ansatz erforscht, welcher einen unaufdringlichen Roboter (siehe Abbildung 1). mit einem Smart Home verbindet. Dieses System soll es ermöglichen den Gesundheitsstatus des Patienten zu überwachen und gleichzeitig für den Patienten so selbstverständlich sein wie heutzutage das Radio. Deswegen auch der Name des Forschungsprojektes.
Kleine Rechner für große Aufgaben
Der Roboter beinhaltet einen kleinen aber leistungsfähigen Rechner, der über eine drahtlose Standardschnittstelle mit dem SmartHome verbunden ist. Hierüber hat der Roboter Zugriff auf weitere im SmartHome installierte Sensoren, beispielsweise Bewegungssensoren und Bildsensoren. Auf dem Roboter selber sind ebenfalls mehrere Sensoren installiert, z.B. ein Laserscanner und zwei Kamers. Mit den Daten dieser Sensoren können Bewegungen des Patienten erkannt werden, über welche dann wieder Rückschlüsse auf den Gesundheitsstatus gemacht werden können. Die Fusion der Daten mehrerer Sensoren ermöglicht es zudem komplexere Ereignisse zuverlässiger zuerkennen. Wichtig ist auch die präzise und zuverlässige Lokalisierung des Roboters innerhalb von Gebäuden. Anders als außerhalb von Gebäuden, bei Verwendung einer sattelitengestützten Navigation, müssen Positionsdaten durch andere technische Lösungen errechnet werden. Im Projekt Radio werden hierzu Methoden mit Bluetooth Low Energy (BLE) Sendern und Triangulationsverfahren sowie Fingerprinting Methoden kombiniert mit Particle Swarm Algorithmen verwendet. Die Präzision mit der Objekte, d.h. Dinge des täglichen Lebens aber auch der Roboter selbst lokalisiert werden kann, beträgt einige Zentimeter und ist damit präzise genug. Die Methoden, welche hierbei eingesetzt werden, sollen zukünftig auch Bilddaten mitverwenden, um die Präzision z.B. für weitaus filigranere Positionsermittlungen zu erhöhen.
Die hierfür notwendige Signaldatenverarbeitung, welche sich aus der Bildverarbeitung und Fusion von weiteren Sensoren zusammensetzt, erfordert eine sehr hohe Rechenleistung. Hierzu wäre traditionell die Verwendung teurer Hardware wie z.B. ein leistungsfähiger PC oder Laptop erforderlich. In RADIO soll hingegen eine kleine eingebettete Alternative verwendet werden. Die Alternative, welche in RADIO verwendet wird ist die hochparallele Datenverarbeitung auf einem Field Programmable Gate Array. Diese Bausteine ermöglichen, die Beschleunigung von Anwendungen um ein Vielfaches. Je nach Anwendung, kann eine Beschleunigung um 3 Größenordnungen und mehr erfolgen. Der Vorteil ist, dass diese Bausteine hierbei im Vergleich zu herkömmlichen Prozessoren etwa ein 100stel an Verlustleistung aufnehmen. Dadurch ist es möglich, sehr kleine Gehäuse (ohne aktive Kühlung), kleine Netzteile und wenig zusätzliche Elektronik zu verwenden, um einen eingebetteten Hochleistungsrechner zur Verfügung zu stellen. Die Verarbeitung der Daten vor Ort ermöglicht es, lediglich Ereignisse, z.B. Patient hat die Medikamente genommen, an das medizinische Personal zuschicken. Dies ist sehr wichtig, da zum Schutz der Privatsphäre keine Originaldaten (sowohl Visuell als auch Akustisch) in die Cloud geschickt werden sollen. Das Forschungsprojekt läuft seit 2 Jahren und wird durch die Europäische Union mit Millionen Euro gefördert.
Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Hübner
Lehrstuhl für Eingebettete Systeme der Informationstechnik, Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr.-Ing. Diana Göhringer
Professur für Adaptive Dynamische Systeme, Technische Universität Dresden
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